Schlussmachen – wie, warum und wann sich Rollenspielrunden auflösen (sollten)
- AthenaesSiegel
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Manchmal kommt es plötzlich. Manchmal hat es sich in Wahrheit bereits lange angekündigt, ohne dass man es rechtzeitig gemerkt hätte. Wie es auch immer geschehen ist, jede Runde und jedeR SpielerIn kann sich diesem Problem ausgesetzt sehen, egal wie lange ihr spielt oder wie toll das Spiel bis jetzt war. Und die meisten von euch werden sich leider irgendwann in dieser Situation wiederfinden. Es ist keine Durststrecke mehr, die man mit einem spontanen Wechsel des gespielten Systems, des Spielorts oder des Genres überbrücken kann. Sehen wir der Tatsache ins Auge: Man kann sich nicht mehr riechen, die Terminplanung ist zum regelmäßigen Spießrutenlauf zwischen SL und SpielerInnen geworden, und überhaupt hätte man doch wirklich etwas Besseres an diesem Abend und allen anderen Spielterminen zu tun. Wenn das Spiel keine Erholung und keine Freude mehr bietet, dann ist es höchstwahrscheinlich an der Zeit, über Veränderungen nachzudenken.
Für einen solchen Anlass ist dieser Artikel gedacht. Diese Zeilen beschäftigen sich mit dem ungewollten und dem schmerzlichen Auseinandergehen von Spielgruppen. Sollte eine Kampagne ihrem würdigen und epischen Ende entgegengehen, kann das natürlich ebenfalls ein Grund für das Ende einer Spielrunde sein. Aber in diesem Fall ist der Anlass ein freudiger, und man kann mit anderen Lösungsstrategien an das Problem herangehen.
Warum trennen wir uns? Es ist bis jetzt doch super gelaufen.
Neben einem Wandel im persönlichen Spielinteresse (denn wie das Gras immer auf der anderen Seite grüner ist und das gerade neu herausgekommene System doch so viel mehr Spaß machen würde als das System, das unsere Runde seit ewigen Zeiten spielt …) sind die häufigsten Gründe für das Ende einer Gruppe:
- Zeit
- Langeweile
- Streit
Bricht man die häufigsten Ursachen für das Auseinandergehen von Gruppen auf ihre wesentlichen Elemente herunter, bleiben drei mögliche Auslöser für das Zerbrechen einer Spielgruppe übrig. Oft handelt es sich um eine Mischung aus mehreren Ursachen, die sich langsam anhäufen. Wir wollen uns die einzelnen Steine des Anstoßes nun genauer ansehen:
Faktor Zeit. Wir werden alle älter, haben (hoffentlich) mehr Verpflichtungen als vor ein paar Jahren und haben in den meisten Fällen für das beste Hobby der Welt berufs- und beziehungsbedingt weniger Zeit. Oder müssen aus diesen beiden Gründen sogar an einen anderen Ort übersiedeln, was eine körperliche Anwesenheit beim Spieleabend verunmöglicht.
Das ist traurig, muss aber nicht unbedingt das Ende einer geliebten Spielrunde werden. Mittlerweile ist das Spielen über eine längere Leitung wie Skype oder Discord – das entweder ein gewisses Vertrauen beim (analogen) Würfeln seitens der SL oder einen elektronischen Helfer wie einen Würfelbot, Roll20 oder Fantasy Grounds voraussetzt – eine mögliche Alternative zum endgültigen Rundenende. So konnte ich über ein Jahr lang eine liebe Spielerin in eine Wiener Rollenspielrunde einbinden, obwohl sie an die amerikanische Pazifikküste übersiedelt war, der Zeitverschiebung zum Trotz. Mit einer gewissen Flexibilität auf beiden Seiten muss hier nichts unbedingt enden. Dennoch bleibt mangelnde Zeit ein großer Faktor, warum sich Runden irgendwann auflösen.
Langeweile. Wenn der Plot des Abenteuers schon länger nur mehr ein gelangweiltes Gähnen auslöst, ist es vielleicht ratsam, über eine grundlegende Änderung nachzudenken. Auch hier lohnt es sich, den Ursachen der akuten Misere auf die Schliche zu kommen. Ist der Plot redundant? Steckt ihr seit mehreren Wochen in- und outgame schon an derselben Stelle fest und es will jeder nur noch verzweifelt einen Ortswechsel, egal, ob es in der Situation logisch wäre?
Das sind zwar alles gute Gründe für ein ernstes Gespräch mit der SL, aber hier bieten sich auch viele Ansatzpunkte, um einer Gruppenauflösung entgegenzuwirken: Vielleicht tut eine Veränderung im SL-Sessel der Gruppe ganz gut, vielleicht auch mal der Wechsel zu einem lockeren Brett- statt Rollenspielabend. Jedenfalls sollte man auch hier auf das eigene Bauchgefühl hören: Wenn man der Einzige am Tisch sein sollte, der partout nicht in das Spiel findet und sich trotz eines klärenden Gesprächs dieses Gefühl nicht ändert, wäre eine andere Spielgruppe wahrscheinlich doch die bessere Wahl.
Aber auch in diesem Fall braucht man keine Brücken hinter sich abreißen – Geschmäcker sind nun mal verschieden, und jeder versteht es, wenn es halt in dieser Konstellation nicht passt (und mit denen, die es nicht verstehen, dass die Runde nichts für dich ist, willst du ohnehin nicht zusammen spielen). Ehrlichkeit mit sich selbst und den Mitspielern, ob man sich langweilt, bringt hier am schnellsten eine Klärung.
Streit. Hier kommt der große Bruchpunkt. Was auch immer zum aktuellen Streit geführt haben mag – ein allzu früher Charaktertod, unfaire Item- und XP-Vergabe, Willkür seitens der SL, mangelnde (spielerische, terminliche wie soziale) Kompatibilität der lieben MitspielerInnen mit dem eigenen Spielstil, ins Rollenspiel driftende Probleme aus dem Privatleben, was es auch immer sein mag (und ja, ich habe all dies selbst als SL und Spieler erlebt bzw. angerichtet) –, die Runde hat ein ernstes Problem. Wenn es nicht möglich ist, dass die Beteiligten den Streit in einem klar absehbaren Zeitfenster unter sich ausmachen, ist es definitiv das Beste, das Spiel für diesen Abend für beendet zu erklären und erst dann wieder aufzunehmen, wenn der Streit beigelegt ist (sei es durch eine gütliche Einigung der Beteiligten oder durch das Ausscheiden einer Spielerin oder eines Spielers. Das Spiel hat keinen Sinn (nämlich die gemeinsam erlebte Unterhaltung und Freude), wenn ein Streit in der Gruppe herrscht. Ganz egal ob offen ausgelebt oder unterschwellig empfunden, man spürt seine Anwesenheit auf alle Fälle.
Sollte die Situation eintreten, dass der Streit nicht beigelegt werden kann und kein Ende deutlich absehbar ist, dann tu dir bitte selbst den Gefallen und verlass die Gruppe aus eigenem Antrieb. Keine Spielrunde und keine SL der Welt sind so gut, dass es den beständigen sozialen Stress eines im Raum stehenden Konfliktes in irgendeiner Weise aufwiegen könnte. Auch, wenn (echte) Freunde daran beteiligt sind. Gerade die werden es hoffentlich verstehen. Und sich wahrscheinlich selbst eine toxische Konstellation nicht lange antun wollen. Wenn der Streit gerade akut ist, ist es sinnvoll, ein wenig räumlichen wie zeitlichen Abstand zu gewinnen und nachzudenken, inwiefern man noch mitspielen möchte. Sollte sich nach einer Abkühlungsphase von ein paar Tagen nichts grundlegend an der Ausgangssituation geändert haben, ist es nicht wahrscheinlich, dass sich die Situation bessert – warum sollte sie auch?
Wie gehe ich?
Sei ehrlich. Mit dir selbst, aber auch mit deinen Mitspielern.
Du hast – aus welchen Gründen auch immer – entschieden, dass du nicht nur die nächsten Termine nicht mehr wahrnehmen möchtest, sondern auch, dass die Gruppe nichts für dich ist. Informiere die SL, aber auch die SpielerInnen in aller Höflichkeit, dass du am Spiel keine Freude mehr hast, keine Zeit mehr erübrigen kannst, oder dass es etwas Wichtigeres gibt. Ja, das kann vorkommen. Jede SL verliert ab und an SpielerInnen, das gehört zum Leben einer Spielgruppe dazu.
Es ist nur verständlich, wenn man der SL und/oder den anderen Spielern nicht direkt ins Gesicht sagen möchte, dass es nichts mehr für dich ist. Aber je eher du dir und den Menschen, mit denen du etliche schöne Stunden verbracht hast, reinen Wein einschenkst, desto eher kann sich die Situation bessern. Warte nur nicht so lange mit der Absage, bis Unklarheit darüber entsteht, ob du noch zum Spielen kommen wirst oder noch ein Teil der Gruppe bist. Das gebietet die Höflichkeit.
Wann ist es Zeit zu gehen?
Bis hierher haben sich bereits eine ganze Menge Gründe angesammelt, warum das Verlassen einer Spielrunde eine gute Idee ist. Hier sind nochmal ein paar mögliche und zwingende Anlässe aufgeführt:
- Das Spiel macht keinen Spaß mehr, du bist nur mehr aus Gewohnheit dabei.
- Du möchtest mit einer Spielerin oder einem Spieler keinen Kontakt mehr haben.
- Du hast beruflich keine Zeit mehr.
- Das Finden eines Termins ist nur mehr Stress.
- Du musst ständig andere Hobbys/Freunde/deine Familie wegen Zeitmangel vertrösten.
- Die Stimmung in der Spielrunde ist nicht mehr locker, sondern toxisch.
Wenn ein oder gleich mehrere Gründe auf dich zutreffen sollten, ist das ein großes Anzeichen dafür, dass du über eine längere Pause oder ein Abbrechen der Runde nachdenken solltest.
Was kommt danach?
Eines vorweg: Es ist ganz normal und absolut in Ordnung, nach dem Ende einer langen Spielrunde eine gewisse Zeit Trübsal zu blasen. Nimm dir die Zeit und erinnere dich an die schönen Momente, die du mit der Runde verbracht hast – das Letzte, was du willst, ist die unschönen Erinnerungen aus dem Schlussmachen mit in die nächste Runde zu nehmen oder auf das Hobby generell zu übertragen. Mach dir das Spielen nicht selbst madig.
Nach einer gewissen Zeit kannst du wieder darüber nachdenken, wieviel Zeit du in eine neue Runde stecken kannst und möchtest. Und, seien wir uns ehrlich: Viele Runden freuen sich über einen Neuzugang.
Aber die ganze Zeit und die spaßigen Stunden. Für nichts?
Hat sich die Situation, die zur Auflösung der Runde geführt hat, vielleicht schon in kleinen Dosen angekündigt? War die Stimmung bei den letzten Spielabenden vielleicht nicht mehr so schön, wie sie hätte sein können? Gab es Stress? Hattest du das Gefühl, dass du den Abend vielleicht anders sinnvoller hättest verbringen können? Musstest du dich dazu zwingen, die letzten Termine wahrzunehmen? Habt ihr alles Mögliche unternommen, nur nicht Spaß gehabt?
All das Obenstehende mag dir zwar jetzt nicht mehr helfen, aber es bietet dir vielleicht einen Hinweis, um die nächste Problemsituation frühzeitig zu erkennen und ihr rechtzeitig zu begegnen. Auch wenn die Runde vorbei sein mag, den Spaß, den man gehabt hat, kann einem niemand mehr wegnehmen. Und die tollen Stunden haben ihren Wert in sich selbst.
Es geht weiter. Die Fantasie lebt weiter. In einer neuen Runde. Vielleicht nicht bald, aber die Straße geht immer weiter, wie bereits ein weiser Hobbit wusste. Und dann wird es dir auch wieder Spaß machen.
Freu dich drauf! Und alles Gute!
Ein Teilzeithelden Artikel
Dieser Artikel stammt im Original von Teilzeithelden und wurde uns mit freundlicher Genehmigung des Autors zur Verfügung gestellt.
Ihr findet das Original hier: https://www.teilzeithelden.de/…runden-aufloesen-sollten/
Über den Autor
Johannes Haselhofer war Spielleiter und Obmann von Athenaes Siegel bis er sich Ende 2019 aus dem Verein zurückgezogen hat.
Mehr Information findet ihr hier: https://www.teilzeithelden.de/redakteur-johannes-haslhofer/